Italien weist Rettungsschiffen weit entfernte Häfen zu

Das Migazin berichtet am 23.12.2022: Die italienische Regierung scheint mit einer neuen Taktik gegen die private Seenotrettung im Mittelmeer vorzugehen. Während bislang die Zuweisung von Häfen verzögert oder Schiffe beschlagnahmt wurden, zwingt sie die Retter nun zu langen Fahrten.

Drei private Rettungsschiffe auf dem Mittelmeer können die Flüchtlinge an Bord nach Italien bringen. Allerdings haben die Behörden ihnen weit entfernte Häfen zugewiesen. So sollen die „Life Support“ und die „Sea-Eye 4“ zum toskanischen Livorno fahren. Die „Rise Above“ erhielt die Anweisung, statt wie zunächst mitgeteilt im südlichen Roccella Ionica anzulanden die Menschen ins 150 Kilometer nördlicher gelegene Tarent zu bringen.

„Uns wurde noch nie ein so weit entfernter Hafen zugewiesen“, sagte der Vorsitzende der Rettungsorganisation Sea Eye, Gorden Isler. „Es geht darum, die Rettungsschiffe so lange wie möglich vom Rettungsort im zentralen Mittelmeer zu entfernen.“ Das sei völkerrechtswidrig. Die „Sea-Eye 4“ brauche fünf Tage für die Fahrt nach Livorno und gelange voraussichtlich am Freitagmorgen dort an. Sie hat 108 Geflüchtete aus zwei Rettungsaktionen an Bord.

Crew der SEA-EYE 4 rettet 108 Menschen im letzten Einsatz des Jahres

Sea-Eye berichtet am 20.12.2022: Während unser erster Einsatz im kommenden Jahr wegen eines Spendeneinbruchs weiter ernsthaft gefährdet ist, offenbart sich auf der laufenden Mission die ganze Grausamkeit staatlichen Handelns. 

Dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten tatenlos zusehen, während im Mittelmeer Menschen ertrinken, ist ebenso skandalös wie lange bekannt. Am vergangenen Wochenende dokumentierte die Crew der SEA-EYE 4 die gesamte Dimension dieser Grausamkeit. 

45 Menschen kämpften tagelang in einem seeuntauglichen Boot in der maltesischen Such- und Rettungszone ums Überleben. Statt jedoch die Rettung zu koordinieren, hat die Seenotleitstelle versucht, Handelsschiffe durch Einschüchterung und Androhung von Konsequenzen am Retten zu hindern. Ein Schiff brach daraufhin die Suche ab. Zum Glück setzte ein anderes Schiff die Suche dennoch fort und konnte die Menschen tatsächlich finden. Als die SEA-EYE 4 schließlich eintraf, konnten dadurch alle Menschen gerettet werden. 

Ganze sechs Tage waren die 45 Personen bereits auf offener See, mindestens drei Tage wussten sowohl maltesische als auch italienische Behörden Bescheid. Italien wies die SEA-EYE 4 dennoch an, umgehend den Hafen von Livorno anzusteuern. Nahezu alle Geretteten haben Verätzungen durch ausgetretenes Benzin erlitten, darunter mindestens 17 schwere Fälle. Das medizinische Team konnte alle Menschen erstversorgen. Jetzt ist die SEA-EYE 4 auf dem Weg in den Hafen von Livorno, um die Menschen endlich in Sicherheit zu bringen. 

Lesen Sie hier unseren ausführlichen Bericht über den Fall.

Malta fordert Handelsschiffe dazu auf, Seenotfall zu ignorieren

Sea-Eye berichtet am 19.12.2022: In der Nacht von Sonntag auf Montag konnte die Crew der SEA-EYE 4 in der maltesischen Such- und Rettungszone 45 weitere Menschen aus Seenot retten, nachdem diese sechs Tage auf hoher See ums Überleben kämpften. Zuvor hatten sowohl Italien als auch Malta aktiv versucht, die Rettung dieser Menschen zu verhindern. So wies Malta zwei Handelsschiffe an, den Fall zu ignorieren und drohte sogar mit Konsequenzen. Zur vollständigen Dokumentation finden Sie den relevanten E-Mail-Verkehr in unserem Presseordner.

SEA-EYE 4 ist jetzt mit 108 Menschen an Bord auf dem Weg nach Livorno.

Sea-Eye und Mission Lifeline retten 63 Menschen aus seeuntüchtigem Schlauchboot

Sea Eye berichtet am 17.12.2022: Am Freitagabend haben die Besatzungen der SEA-EYE 4 von Sea-Eye e.V. und der RISE ABOVE von Mission Lifeline e.V. 63 Menschen aus einem seeuntüchtigen Schlauchboot und damit aus akuter Lebensgefahr gerettet. Unter den Geretteten waren 12 unbegleitete Minderjährige sowie fünf Frauen. Zum Zeitpunkt der Rettung waren die Menschen bereits eineinhalb Tage auf See. 

Der Seenotfall wurde am Mittag von der Hilfsorganisation AlarmPhone an die Behörden gemeldet und an die beiden Rettungsschiffe weitergeleitet. Nach mehrstündiger Suche konnte das Boot gefunden werden. Als die RISE ABOVE das Boot erreichte, übernahm die Crew des Schiffes die Erstversorgung. Anschließend hat die Crew der SEA-EYE 4 die Menschen aus dem seeuntüchtigen Schlauchboot evakuiert, um sie medizinisch betreuen zu können und die Menschen mit Essen, Trinken und warmer Kleidung zu versorgen. 

Einige der geretteten Personen haben auf dem Schlauchboot chemische Verbrennungen durch ausgetretenes Benzin erlitten. Viele waren sehr schwach und litten unter Seekrankheit, so dass wir die Menschen zunächst stabilisieren mussten. Bei zahlreichen Personen sind auch ältere Verletzungen von mutmaßlich traumatischen Erfahrungen zu sehen. Momentan sind alle Geretteten in stabilem Zustand und außer Lebensgefahr“, schildert die Einsatzärztin Nour Hanna von German Doctors e.V. den Gesundheitszustand der Gäste nach der Rettung.

Ziviles Seenotrettungsbündnis United4Rescue schickt Bündnisschiff SEA-EYE 4 in den letzten Einsatz des Jahres

Sea-Eye berichtet am 07.12.2022: Die SEA-EYE 4 ist am Mittwoch (07.12.2022) von Burriana aus zur sechsten und letzten Rettungsmission in 2022 aufgebrochen. Die laufende Mission wird maßgeblich vom zivilen Seenotrettungsbündnis United4Rescue – Gemeinsam Retten e.V. ermöglicht. „Ohne die Hilfe des von über 850 Institutionen getragenen Bündnisses könnte die aktuelle Mission nicht finanziert werden”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e.V. 

Die Regensburger Seenotretter*innen leiden seit Monaten unter einem massiven Spendeneinbruch. Eine Förderung von 300.000 € durch United4Rescue und weitere Förderungen über 25.000 € von der UNO-Flüchtlingshilfe und 15.000 € von Civilfleet Support e.V. ermöglichen der SEA-EYE 4 nun die Rückkehr ins zentrale Mittelmeer. Seit das Bündnisschiff im Mai 2021 zu seinem ersten Rettungseinsatz aufbrach, konnten die Besatzungen mehr als 2.300 Menschen vor dem Ertrinken retten.

Es ist die erste Mission für Sea-Eye seit Amtsantritt von Giorgia Melonis rechtsradikaler Regierung.

Hilfsorganisationen warnen vor Legitimierung von Pushbacks

Das Migazin vom 08.12.2022 berichtet: Am Donnerstag stimmen die EU-Innenminister über einen Gesetzesvorschlag ab, der Flüchtlingsschutz an den Außengrenzen aushebeln könnte. 35 Organisationen appellieren an die Bundesregierung, gegen den Entwurf zu stimmen.

Menschenrechtler und Entwicklungsorganisationen warnen davor, dass illegale Zurückweisungen von Migranten an den EU-Außengrenzen durch ein neues Gesetzesvorhaben legitimiert werden könnten. „Wir fordern die Bundesregierung auf, der geplanten Instrumentalisierungsverordnung eine Absage zu erteilen“, sagte Andreas Grünewald, Referent für Migration bei „Brot für die Welt“, dem „Evangelischen Pressedienst“.

Die sogenannte Instrumentalisierungsverordnung der EU soll den Mitgliedstaaten erlauben, von geltendem Asylrecht abzuweichen. Am Donnerstag könnten die EU-Innenminister bei ihrem Treffen in Brüssel über das Vorhaben entscheiden. Die Vorgeschichte zu der Verordnung spielte sich im Herbst 2021 ab. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko drohte der EU mit den Worten, die Union „mit Migranten und Drogen zu überfluten“ und lockte Tausende Migranten mit falschen Versprechen an die Grenze zu Polen.

Seither sucht die EU eine Lösung gegen die Instrumentalisierung von Migranten. Im Dezember 2021 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung vor. Die Tschechische Ratspräsidentschaft wolle noch im Dezember auf Ratsebene eine Einigung erreichen, sagte Grünewald. In einem offenen Brief wenden sich „Brot für die Welt“ und 34 weitere Hilfsorganisationen gegen die Verordnung.

„Humanity 1“ nach weiteren Rettungen mit 250 Flüchtlingen an Bord

Das Migazin berichtet am 07.12.2022: Nach zwei weiteren Rettungen im zentralen Mittelmeer hat das Schiff „Humanity 1“ mehr als 250 Geflüchtete an Bord. In der Nacht zum Dienstag und am Dienstagmorgen sei die Besatzung zwei Booten in Seenot vor der libyschen Küste zu Hilfe gekommen, teilte die Organisation SOS Humanity, die das Schiff betreibt, mit. Die zuständigen Stellen unter anderem in Malta und Italien hätten bislang noch nicht auf die Bitte nach einer Koordinierung der Rettung reagiert.

In der Nacht habe die Notruf-Organisation Alarm Phone auf ein seeuntüchtiges, doppelstöckiges Holzboot hingewiesen, das sich stark zur Seite neigte und zu kentern drohte. Die Besatzung des Rettungsschiffes „Louise Michel“ hatte die 49 Geflüchteten bereits mit Schwimmwesten versorgt. Laut SOS Humanity war auch ein Schiff der libyschen Küstenwache vor Ort und näherte sich dem Boot dermaßen, dass einige Menschen ins Wasser fielen. Schließlich konnten sie auf die „Humanity 1“ gebracht werden. In den Morgenstunden des Dienstags nahm die Besatzung weitere über 100 Menschen aus einem überfüllten Schlauchboot an Bord.