Griechenland setzt bei Pushbacks Flüchtlinge als Handlanger ein

Das Migazin vom 29.06.2022 berichtet: An der EU-Außengrenze setzen griechische Polizeibeamte einem Medienbericht zufolge Flüchtlinge offenbar als Handlanger für illegale Rückführungen ein. Wie aus am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Recherchen des ARD-Politikmagazins „report München“ mit dem „Spiegel“, „Lighthouse Reports“, „Le Monde“ und dem „Guardian“ hervorgeht, haben Geflüchtete entsprechende Angaben gemacht, die sich mittels Fotos, Satellitenbildern und offiziellen griechischen Dokumenten verifizieren lassen.

Einem Team aus Reporterinnen und Reportern sei es nach monatelangen Recherchen erstmals gelungen, mit sechs Männern zu sprechen, die an den sogenannten Pushbacks beteiligt gewesen seien. Sie hätten unabhängig voneinander angegeben, zu gewaltsamen Zurückweisungen in die Türkei gedrängt worden zu sein. Im Gegenzug seien ihnen Aufenthaltspapiere versprochen worden.

Auch drei griechische Polizeibeamte hätten den Journalisten den Einsatz von Flüchtlingen bestätigt. Die Aktionen würden von der Polizei als so gefährlich eingeschätzt, dass diese dafür vermehrt Geflüchtete einspanne, um die eigenen Beamten zu schützen. Offizielle Anfragen dazu hätten das griechische Innenministerium und die Polizei bis Dienstag unbeantwortet gelassen.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe verlangte die Europäische Kommission eine Untersuchung der Vorgänge an der Grenze. Weitere Konsequenzen würden derzeit aber nicht gezogen, sagte Kommissionsprecherin Anitta Hipper am Dienstag in Brüssel. „Für den Moment sprechen wir nicht von Rechtsverstößen“, sagte sie. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb bei Twitter, die Ereignisse und Vorwürfe müssten lückenlos aufgeklärt werden. Sie bezog sich sowohl auf die Vorwürfe gegen die griechische Regierung wie auch gegen Spanien und Marokko. An der Grenze zur spanischen Exklave Melilla waren am Wochenende mehr als 20 Menschen gewaltsam ums Leben gekommen. Baerbock erklärte: „Das Leid ermahnt uns, dass wir in der EU bei der Asyl- und Migrationspolitik noch einen weiten Weg vor uns haben.“

„Geo Barents“ rettet 71 Menschen in dramatischem Einsatz

Das Migazin vom 29.06.2022 berichtet: Nach einem dramatischen Rettungseinsatz der „Geo Barents“ im Mittelmeer werden 22 Menschen vermisst. „Man muss davon ausgehen, dass sie ertrunken sind“, sagte die medizinische Teamleiterin an Bord, Stefanie Hofstetter, am Dienstag dem „Evangelischen Pressedienst“. 71 Geflohene hätten an Bord genommen werden können, darunter mehrere Kinder. Das Schlauchboot sei vollkommen kaputt gewesen, ohne Boden und Luft in vielen Luftkammern. „Alle Menschen waren bereits im Wasser, bei Wellen von einem bis zwei Metern und starker Strömung.“

Ein vier Monate altes Baby konnte die Crew wiederbeleben. Es sei in der Nacht mit der Mutter nach Malta geflogen worden. Zwei Frauen verloren ihre Kinder, ein Mädchen seinen kleinen Bruder. Eine Frau starb an Bord nach dem Rettungseinsatz. Die Überlebenden stünden unter Schock. „Es gibt niemanden, der niemanden verloren hat“, sagte Hofstetter. „Es war ein unglaubliches Glück, dass wir die Menschen gefunden haben. Eine Stunde später wäre niemand mehr da gewesen.“

Zustände in Libyen

Sea-Eye berichtet am 24.06.2022: „Ich wurde in Libyen vier Monate lang ins Gefängnis gesteckt, nachdem ich zum ersten Mal versucht hatte, das Mittelmeer zu überqueren. Sie gaben mir ein Stück Brot am Morgen und eines am Abend, das war alles, was wir essen konnten. Danach bin ich geflohen und habe erneut versucht, überzusetzen. Ihr habt mich gerettet. In der Elfenbeinküste gibt es nicht für alle Arbeit und meine ganze Familie ist arbeitslos. Sie waren froh, dass ich mich auf den Weg gemacht habe, um nach Europa zu kommen, ich bin ihre einzige Hoffnung“, berichtete ein 17-Jähriger unserer Crew.

Die Hoffnung einer gesamten Familie ruht auf den Schultern eines Jugendlichen, der in Libyen durch die Hölle gehen musste. Berichte wie diese hat die Crew viele an Bord gehört.

Inzwischen konnten alle Menschen in Messina auf Sizilien das Schiff verlassen. Dass sie ihre Flucht überlebt haben, ist nicht selbstverständlich. So war eins der Boote, dass die SEA-EYE 4 retten konnte, bereits am Sinken, als wir eintrafen.

76 Menschen aus sinkendem Schlauchboot gerettet

Sea-Eye berichtet am 16.06.2022: Nachdem die SEA-EYE 4 bereits in drei Rettungseinsätzen 416 Menschen gerettet hatte, wurde dem Rettungsschiff am Mittwochabend, den 16.06.2022, erneut ein Seenotfall gemeldet. Die Organisation Alarm Phone berichtete den Behörden bereits im ersten Notruf, dass das Schlauchboot beschädigt sei, Wasser eindränge und die Menschen um Hilfe riefen. Als die SEA-EYE 4 den Unglücksort erreichte, war in den Schläuchen kaum noch Luft. Mit Lichtern versuchten die Menschen bei Nacht auf sich aufmerksam zu machen.

Die Menschen hatten großes Glück, dass die SEA-EYE 4 zum Zeitpunkt des Notrufs weniger als drei Stunden entfernt war und dass sie bei Nacht noch rechtzeitig gefunden worden sind, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye e. V. Der schwierige Rettungseinsatz zog sich bis Mitternacht hin. Die Einsatzboote brachten 76 Menschen auf die SEA-EYE 4.

Sehr viele der in der Nacht geretteten Menschen, haben Verätzungen und müssen deshalb im Bordhospital der SEA-EYE 4 behandelt werden. Denn wenn in den Schlauchbooten Kraftstoff ausläuft und sich mit Meerwasser mischt, entsteht ein chemisches Gemisch, das die Haut sehr stark verätzt. Die Geretteten leiden außerdem an Unterkühlung, Dehydrierung und schwerer Erschöpfung. 

Die SEA-EYE 4 ist nun mit 492 geretteten Menschen auf der Suche nach einem sicheren Hafen. „Die zivilen Hilfsorganisationen Sea-Eye und Alarm Phone haben heute Nacht ein schweres Unglück verhindert. Von staatlichen Akteuren gab es erneut keine Reaktionen. Die sogenannte libysche Küstenwache reagierte überhaupt nicht und das ist kein Einzelfall. Genau deshalb sind nun erneut so viele Überlebende auf der SEA-EYE 4, für die wir nun ganz dringend einen sicheren Ort zur Ausschiffung benötigen. Dieser Ort kann nach internationalem Recht nur in Europa liegen“, so Isler.

Sogenannte libysche Küstenwache behindert Rettungsaktionen und entführt Menschen zurück nach Libyen

Sea Eye berichtet am 15.06.2022: Die Crew der SEA-EYE 4 hat in zwei Tagen bei drei Einsätzen 416 Menschen aus Seenot gerettet. Am vergangenen Montagnachmittag, dem 13. Juni, kam das Rettungsschiff 63 Menschen, darunter 30 Minderjährige und ein Baby, zur Hilfe, als diese mit ihrem Schlauchboot auf der Flucht über das Mittelmeer in Seenot geraten waren. Am heutigen Mittwochmorgen, dem 15 Juni, erreichte die Crew ein großes, stark überfülltes Holzboot. Viele der Insassen waren unter Deck zusammengedrängt. Die Crew evakuierte das Holzboot und brachte alle 290 Menschen, darunter 19 Minderjährige, sicher an Bord der SEA-EYE 4. Am Mittwochnachmittag fand die Crew ein weiteres Schlauchboot und rettete 63 Menschen, darunter 13 Minderjährige.

Während der Rettung am Mittwochmorgen war die sogenannte libysche Küstenwache zugegen und beobachtete den Rettungseinsatz. Als dieser abgeschlossen war, näherte sich die sogenannte libysche Küstenwache und schleppte das Holzboot ab.

Ein Rekordversuch mit politischer Botschaft

Das Migazin berichtet am 15.06.2022: Der tunesische Ausnahmeschwimmer Nejib Belhedi hat vor, einen neuen Rekord aufzustellen. Der 70-Jährige will ohne Pause 155 Kilometer von Italien nach Tunesien durchschwimmen. Für diese Richtung hat er sich bewusst entschieden. Seine Zielgruppe: die Jugend seines Landes.

80 Stunden ohne Pause, 155 Kilometer Mittelmeer. Nejib Belhedi will in etwas mehr als drei Tagen von der italienischen Insel Pantelleria nach Hammamet in Tunesien schwimmen. An diesem Mittwoch startet der 70-Jährige seinen neuen Rekordversuch. Ganz bewusst hat er sich für diese Richtung entschieden und nicht etwa umgekehrt. Denn er hat eine Botschaft: „Die Energie, die Ihr darauf verschwendet, nach Europa zu gelangen, die solltet Ihr dafür verwenden, euch hier eine Zukunft aufzubauen.“

Zahl der toten und vermissten Bootsflüchtlinge stark gestiegen

Das Migazin berichtet am 12.06.2022: Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die im Mittelmeer und im Nordwestatlantik ums Leben gekommen sind, ist nach UN-Angaben in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Im vergangenen Jahr seien im Mittelmeer und im Nordwestatlantik 3.231 Tote oder Vermisste registriert worden, teilte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag in Genf mit. Im Jahr 2020 seien es noch 1.881 Tote und Vermisste gewesen, im Jahr davor 1.510.

Seit Beginn des laufenden Jahres sind laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bislang 817 Menschen bei der Überfahrt ums Leben gekommen oder werden vermisst. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten der Welt.

Über 300 Personen gerettet

Sea Watch berichtet am 09.06.2022: Nach aufreibenden Tagen hat die Sea-Watch 3 endlich einen sicheren Hafen! 344 Gerettete können jetzt an Land. Während wir unendlich dankbar sind, dass ein herausfordernder Einsatz nun zu Ende geht, erleben wir gleichzeitig eine weitere perfide Attacke der libyschen Behörden auf unsere zivile Luftaufklärungsmission.

Das Ziel dahinter ist klar: Sie wollen verhindern, dass wir innerhalb der libyschen Such- und Rettungszone Einsätze mit unseren Flugzeugen fliegen. Sie wollen verhindern, dass wir aus der Luft dokumentieren, wie täglich Menschen brutal und völkerrechtswidrig nach Libyen verschleppt werden. Sie wollen verhindern, dass wir zivile Rettungsschiffe aus der Luft unterstützen. Sie wollen verhindern, dass die europäische Zivilgesellschaft mitbekommt, was an der tödlichen EU-Außengrenze vor sich geht.

Freisprüche nd Hoffnung für kriminalisierte Migrant:innen

Das Migazin vom 08.06.2022 berichtet: Am 26. Mai 2022 wurde der Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise gegen den Priester Mussie Zerai fallen gelassen, nachdem fünf Jahre lang in Italien gegen ihn ermittelt wurde. Zerai, der selbst als Jugendlicher aus Eritrea flüchtete, ist seit Jahrzehnten daran beteiligt, Flüchtende in lebensbedrohlichen Situationen auf See oder in Gefängnissen und Haftlagern zu unterstützen. Dafür wurde er sogar im Jahr 2015 für den Friedensnobelpreis nominiert und erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Luzern. Sein Einsatz inspirierte außerdem die Gründung des Alarmphones, einer Notrufnummer für Flüchtende in Seenot.

Dass wegen dieser Arbeit fünf Jahre lang gegen Zerai ermittelt wurde, erscheint wie eine grausame Verdrehung der viel zitierten europäischen Werte. Es ist jedoch bei Weitem kein Einzelfall. Die EU versucht mit allen Mitteln, unerwünschte Migrant:innen fernzuhalten, sei es durch Zäune und Mauern wie in Ungarn und Griechenland, durch brutale Pushbacks in den spanischen Exklaven und vor Malta, oder durch Abkommen mit afrikanischen Diktatoren, die stellvertretend die Grenzen der EU immer weiter nach Süden schieben.

Die Kriminalisierung und harte Urteile gegen Flüchtende sind ein weiteres Instrument, mit dem die EU versucht, Schutzsuchende abzuschrecken. Mit dem Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise oder des Menschenhandels werden Flüchtende systematisch verhaftet und verurteilt – in Italien waren es zwischen 2018 und 2019 eine pro 100 ankommenden Personen. Sie müssen als Sündenböcke herhalten für Leiden, Gewalt und Tod, die durch die Abschottung Europas gegen Schutzsuchende erst entstehen.

Zahl der Notrufe bei AlarmPhone nimmt im gesamten Mittelmeerraum zu

Sea Eye berichtet am 05.06.2022: Von Januar bis Ende Mai 2022 hat die Organisation AlarmPhone bereits 339 Notrufe von Menschen in akuter Lebensgefahr auf See erhalten. Im Vergleichszeitraum 2021 waren es 286 Notrufe. In 2020 waren es 225. (Quelle: AlarmPhone)
Über 700 Menschen sind laut IOM in diesem Jahr im Mittelmeer ums Leben gekommen. In den Sommermonaten versuchten in den letzten Jahren besonders viele Menschen dem Bürgerkrieg in Libyen zu entkommen. Denn in diesen Monaten gibt es deutlich weniger Schlechtwetter-Phasen.

75 Menschen geholfen – Völkerrechtswidrige Rückführung verhindert


ResqShip meldet am 02.06.2022: Am 22.05.2022 bewahrte die Crew der Nadir im zentralen Mittelmeer 75 Menschen vor dem Ertrinken und vor der Rückführung in das Bürgerkriegsland Libyen. 74 Menschen hatte die Nadir zuvor in einem seeuntüchtigen Schlauchboot gefunden. Als die Crew um Skipper Friedhold Ulonska die Erstversorgung dieser Menschen übernommen hatte, näherte sich die sogenannte libysche Küstenwache, die bereits weitere Flüchtende an Bord hatte. Eine Person sprang vom libyschen Schiff und wurde umgehend vom Beiboot der Nadir gerettet. Alle 75 Menschen nahm später das Rettungsschiff Ocean Viking an Bord. (hier der ausführliche Bericht)